Liebe Thinkfans,
Ich hoffe, Ihr seid alle wohlauf, ohne von Corona behelligt zu sein, und es ist Euch gelungen, Euch den dramatischen
Veränderungen der individuellen, familiären und gesamtgesellschaftlichen Situation stellen zu können, deren
Kernaspekte neben dem Testing und Tracking auf dem Selbstschutz und dem Schutz anderer vor Corona beruhen,
nämlich dem strikten Einhalten des Social Distancing und der hygienischen Maßnahmen.
Ich weiß sehr wohl, dass Veränderungen, und zwar je größer, umfassender, weitreichender und schneller sie Menschen aus der gewohnten Bahn drängen, zwingen oder gar werfen, desto größerer Anstrengungen der Bewältigung bedürfen, um sich in der neu vor Augen liegenden, veränderten oder gar auden Kopf gestellten Landschaft, die uns vor neue Fragen, neue Probleme, neue Herausforderungen stellt und die die temporäre Loslösung von tief in uns eingestanzten Verhaltensweisen, Wünschen und Träumen verlangt, zurechtzufinden, und – auch wenn es manchmal so scheinen mag, als umgäbe uns nur hoffnungslose Düsternis und nur die Irrlichter winziger, umherhuschender Glühwürmchen –, dennoch nicht den Mut, die Zuversicht und den festen Glauben an eine Überwindung des Pandämoniums dieser Pandemie zu verlieren.
Vielleicht darf ich aus eigener Erfahrung anmerken, dass ich den Zustand des De-facto-Eingesperrtseins zu Hause als kaum belastend empfinde. Diese Feststellung, die überraschend klingen mag, und, ich muss gestehen, auch
mich selbst in gewisser Hinsicht überrascht, ist im Wesentlichen durch das bedingt, was ich als psychologische Relativitätstheorie bezeichnen möchte.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das Privileg hatte, Medizin studieren zu können. Nicht dass alles, was das Medizinstudium und die damaligen, herrschenden Ausbildungstrukturen selbst betraf, immer nur ein wahres
Vergnügen gewesen wäre. Aber das Absolvieren des Studiums schuf die Möglichkeit, Erfahrungen und damit Lebenserfahrungen zu machen, die es mir ermöglichen, den jetzigen Status des Quasi-Eingesperrtseins zu Hause mit einem Maß an Gleichmut zu ertragen, den mir ansonsten aufzubringen, vermutlich ungleich schwerer gefallen wäre. Denn nach dem Medizinstudium hatte ich die Gelegenheit, ein halbes Jahr auf der Basis einer 80 Stunden Woche auf einer herz und lungenchirurgischen Station mit Verantwortung für die Nachbetreuung der Patient*innen auf der Intensivstation zu arbeiten.
Dies führte nicht nur dazu, dass mir die auf einer Intensivstation herrschende Atmosphäre mitsamt ihrer Tag und Nacht ununterbrochen anhaltendenden Geräuschkulisse noch deutlich in Erinnerung ist, sodass ich mir lebhaft
vorzustellen vermag, was sich derzeit auf Intensivstationen in den globalen Coronabrennpunkten abspielt, welchen ungeheuren Strapazen schwer an Corona Leidende ausgesetzt sind, welche unglaublichen Leistungen dort von
Kollegin*innen und allen Mitarbeiter*innen vollbracht werden – wofür eine Vielzahl schon das eigene Leben geopfert hat – und welcher – im Vergleich hierzu – Glücksfall es ist, Zeit zu Hause verbringen zu dürfen anstatt auf einer Intensivstation wie der von der Corona Pandemie in härtester Weisebetroffenen Klinik in Bergamo mit der zutiefst anrührenden.
Auch die Zeit, die ich im Rahmen der psychiatrischen Ausbildung als Visiting Psychiatrist in dem größten Londoner Untersuchungsgefängnis arbeitete, wo ich vielen Menschen begegnete, die, aus welchen Gründen auch immer, Straftaten begangen hatten – und ich sah vornehmlich Menschen, in denen psychiatrische Erkrankungen im Zusammenhang mit Straftaten eine Rolle gespielt hatten, was mich an menschliche Tragödien führte und auch an ein von der
restlichen Gesellschaft hermetisch abgeriegeltes Schattenreich von Gefängnissen – stand wieder lebhaft vor Augen.
Dies bewirkte, im Verbund mit der Zeit auf der Intensivstation, ein Gefühl der Dankbarkeit, dass es mir trotz der gegenwärtigen belastenden und diverse praktische und logistische Herausforderungen aufwerfenden Situation
gestattet ist, mich innerhalb meines häuslichen und vertrauten Umfelds – und hierzu zählen auch die geliebten Bücher – frei bewegen zu dürfen, Menschen über diverse, moderne Kommunikationswege zur Verfügung stehen zu können und
weitere Früchte für den THINKAEON Baum heranwachsenlassen zu können.
Insofern kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, wie wertvoll mir die psychologische Relativitätstheorie zur Seite steht und kann sie allseits zur Anwendung empfehlen, umso mehr als sie nicht rezeptpflichtig ist, kostenlos ist und keinerlei Nebenwirkungen erzeugt.
Ich hatte in der letzten Thinkletter No 53 auf das Twitter Fenster, das in meine www.Thinkclinic.com Website eingebaut ist, hingewiesen, weil ich darin Artikel einfüge, die sich auf die Corona Pandemie beziehen, die ich für
lesenswert erachte:
www.thinkclinic.com/en/thinkclinic-2/dr-peter-heinl/
Seit der letzten Thinkletter No 53 habe ich folgende weitere
Artikel eingefügt:
• einen Artikel des im UK durch ein sehr lesenswertes
Bestseller-Buch über seine neurochirurgische Tätigkeit
bekannt gewordenen Neurochirurgen Henry Marsh über die
Situation von Ärzten in der gegenwärtigen Corona Pandemie
• einen Artikel darüber, in welchem dramatischen Umfang das
traditionelle Abschiednehmen von sterbenden Menschen und
das Ritual des Abschiednehmens im Rahmen von
Begräbnissen durch die Flut an Todesfällen in Italien
unmöglich gemacht wird – mit psychischen Folgen, von denen
anzunehmen ist, dass sie über Generationen nachwirken
werden
• den Artikel Coronavirus tracked: the latest figures as the
pandemic spreads, ein höchst informativer mit zahlreichen
Abbildungen und Statistiken angereicherter Artikel über das
Fortschreiten der Pandemie – und ein Artikel, von dem ich
glaube, dass er anhand der umfassenden Daten vor Augen
führt, mich welcher Heimtücke der Virus die politischen
Schwachstellen all der Länder und die Achillesversen all der
Gesundheitssysteme aufspürt, die über keine ausreichenden
Frühwarnsysteme, keine frühen und umfassenden Testprogramme, keine wirksamen Tracking Technologien,
keine ausreichenden, eine zentrale Rolle spielenden
Beatmungsgeräte verfügen und die die den Virus
übertragenden Social Distancing Maßnahmen zu spät oder zu
zögerlich eingeführt haben.
So möchte ich nochmals all meine guten Wünsche für das körperliche Wohlergehen und für die erfolgreiche Berücksichtung der das seelische Wohlbefinden stabilisierenden und steigernden psychischen Relativitätstheorie wiederholen wozu auch der nachfolgende Song einen wirksamen Impuls leisten möge, auf den mich liebenswerterweise aus den USA Dr Sue Saffle, eine Dozentin und Autorin eines lesenswerten Buches über das Schicksal finnischer Kinder während des Zweiten Weltkriegs, aufmerksam machte:
Ich danke für all die berührenden Rückmeldungen auf die letzte Thinkletter No 53 und freue mich schon auf erneute Rückmeldungen, Anregungen und Ideen im unerschütterlichen Vertrauen auf eine erfolgreiche Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen.
Keep well and take good care!
Viele gute Wünsche und herzliche Grüße
Peter (Heinl)